Die räumliche Entwicklung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg ist seit Jahrzehnten durch vielfältige Beteiligungsstrukturen geprägt. Es existieren jedoch noch keine „eigenen“ Beteiligungsleitlinien. Das besondere Beteiligungsverständnis im Bezirk ist noch nicht schriftlich definiert, aber die Fachämter setzen bereits jetzt zahlreiche Beteiligungsformate bei diversen Projekten um. Zudem haben sich schon länger bestehende sowie in der aktuellen Legislaturperiode neu geschaffene zivilgesellschaftliche Strukturen bereits aktiv in dem begonnenen Diskurs zur bezirklichen Umsetzung gemäß der Leitlinien des Landes eingebracht.
Für die bezirkliche Implementierung der seitens des Landes vorgeschlagenen LLBB-Instrumente bedarf es zum Einen eines Prozesses innerhalb der Verwaltung, in dem (neue) Inhalte, Verfahren, Abläufe und Zuständigkeiten besprochen, beschlossen und umgesetzt werden. Zum Anderen wird ein gemeinsamer Diskussions- und Entscheidungsprozess angestrebt mit den o.g und weiteren zivilgesellschaftlichen Strukturen, um zusammen ein möglichst kooperatives Beteiligungsverständnis zu definieren, und um die Instrumente des Beteiligungsbeirats sowie der Anlaufstelle(n) und deren Verknüpfungen zu den anderen Instrumenten (Vorhabenliste und Beteiligungskonzept sowie Anregung von Beteiligung) zu implementieren.
Vorausgegangen ist die Leitlinien-Entwicklung auf Landesebene
Das Land Berlin hat in einem partizipativen Prozess mit der Zivilgesellschaft und mit den Bezirken landesweite Leitlinien für Bürger*innen-Beteiligung an Projekten und Prozessen der räumlichen Stadtentwicklung (LLBB) erarbeitet und im September 2019 beschlossen.
Die bezirksbezogene Umsetzung einer Bürger*innen-Beteiligung gemäß dieser Leitlinien obliegt den Bezirken. Hierfür liegt seit Oktober 2020 ein landesweites Umsetzungskonzept vor, das als Handreichung für die bezirklichen Umsetzungsprozesse zu verstehen ist. Im Mai 2021 – nach Beratungen im Rat der Bürgermeister*innen – wurde diese Umsetzungskonzept auf Senatsebene final beschlossen.
Entwickelt wurden 9 Grundsätze …
Viele Menschen haben an den Leitlinien mitgewirkt. Gemeinsam haben sie neun Grundsätze für Beteiligung formuliert, die für alle Mitwirkenden verbindlich sein sollen. Hier eine Kurzfassung dieser Grundsätze:
- Gut miteinander umgehen
Unterschiedliche Ansichten werden respektiert, Einwände dokumentiert und von der Verwaltung beantwortet. Eine neutrale Moderation achtet darauf, dass keine Meinung oder Position bevorzugt wird und dass alle respektvoll und offen miteinander umgehen. - Beteiligung stärken
Die Leitlinien sollen Beteiligung an der Stadtentwicklung insgesamt erleichtern. Etwa dadurch, dass schon frühzeitig über Projekte informiert wird, es künftig Anlaufstellen für Beteiligung gibt und Beteiligung angeregt werden kann. - Entscheidungsspielraum festlegen und Ergebnisoffenheit garantieren
Worüber genau soll wer was entscheiden? Woran, wie und bis wann können Bürgerinnen und Bürger ergebnisoffen mitwirken? Welche Entscheidungsspielräume gibt es? Wer trifft end gültige Entscheidungen? Diese Informationen werden beim Start einer Beteiligung im Beteiligungskonzept offengelegt. - Frühzeitig informieren und einbeziehen
Schon wenn die Ziele eines Projektes formuliert werden, sollen Bürger und Bürgerinnen einbezogen werden. Denn hier werden wichtige Weichen für die Planung gestellt. Wer mit wirken will, braucht Zeit, um sich sachkundig zu machen. - Viele Verschiedene beteiligen
Eine Beteiligung ist nur sinnvoll, wenn verschiedene Bevölkerungsgruppen ihre Bedürfnisse und Wünsche einbringen. Dazu werden unterschiedliche Altersgruppen angesprochen, aber auch Bürgerinnen und Bürger, die sich selten beteiligen oder solche, die nur indirekt von einer Planung betroffen sind. - Für Information und Transparenz sorgen
Welche Vorhaben stehen an? Worum geht es dabei und welche Auswirkungen haben sie auf die Stadt? All diese wichtigen Informationen werden ehrlich, transparent und verständlich in einer Vorhabenliste veröffentlicht und kontinuierlich auf den neuesten Stand gebracht. - Ergebnisse rückmelden
Was ist aus den Vorschlägen und Einwänden der Bürgerinnen und Bürger geworden? Wer sich beteiligt hat, erwartet zu Recht eine Rückmeldung. Die wird es zukünftig geben: Schriftlich und öffentlich wird über die Ergebnisse einer Beteiligung informiert – nachvollziehbar und verständlich. Wurden Empfehlungen nicht berücksichtigt, wird dies begründet. - Ausreichende Mittel bereitstellen
Bürger und Bürgerinnen zu beteiligen, kostet Geld. Die nötigen Mittel werden rechtzeitig im Landeshaushalt eingeplant, etwa für eine zentrale Anlaufstelle und für die Vorhabenliste. Private Bauträger werden angehalten, ebenfalls Mittel für die Beteiligung der Öffentlichkeit einzubringen. - Leitlinien weiterentwickeln
Ein Beteiligungsbeirat wird eingerichtet, der gemeinsam mit der Öffentlichkeit die Umsetzung der Leitlinien begleitet, ihre Wirksamkeit diskutiert und Anregungen zu ihrer Weiterentwicklung formuliert. Die Erfahrungen aus verschiedenen Beteiligungsverfahren fließen in diesen Prozess mit ein.
… und 5 Instrumente
In den Leitlinien sind fünf Instrumente vorgesehen, um die Beteiligung der Bürger und Bürgerinnen praktisch umzusetzen und zu fördern. Sie werden Schritt für Schritt verwirklicht.
- Anlaufstellen
- Vorhabenliste
- Anregung von Beteiligung
- Beteiligungskonzept
- Beteiligungsbeirat
In der „Bürgerschaftlichen AG“ werden Empfehlungen zur bezirklichen Umsetzung der LLBB erarbeitet.
Zu Erarbeitung der bezirklichen Leitlinien hat der Bezirk eine so genannte Bürgerschaftliche AG einberufen, die als eines von drei Hauptgremien Vorschläge zum Umsetzungsprozess allgemein und zu den 5 Instrumenten im Besonderen aus zivilgesellschaftlicher Perspektive machen soll. Diese „Bürgerschaftliche AG“ ist auch als „Vorläuferin“ eines noch zu konstituierenden Beteiligungsbeirat gedacht.
Besondere Ausgangslade im Bezirk
Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sind mehrere Kooperationsstrukturen aufgebaut, die intermediär zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft im Bereich räumliche Stadtentwicklung agieren. Diese bereits bestehenden Strukturen zur Unterstützung und Umsetzung einer kooperativen Stadtentwicklung sollen ihre Arbeit in Abstimmung zu den Aufgaben ausfüllen, die in den landesweiten Leitlinien für Bürger*innen-Beteiligung genannt sind. Ihre Mitarbeit in der Bürgerschaftlichen AG dient daher auch zur Klärung der Fragen: Welche Aufgaben können und sollen vorhandene Kooperationsstrukturen übernehmen? Was muss entsprechend zu den Leitlinien neu aufgebaut werden? Welche Akteur*innen können solche Aufgaben übernehmen?
Vorstellung der Ergebnisse des Arbeitsprozesses
Am 02. Dezember 2023 wurde der Arbeitsprozess abgeschlossen und die Ergebnisse der Bürgerschaftlichen AG im Kiezraum am Rathausblock vorgestellt. Die Ergebnisse können unter nachfolgenden Link eingesehen und als Bericht heruntergeladen werden.