Stadtentwicklung im Bestand – sozial, ökologisch, zukunftsfähig
Überall in Europa, auch in Berlin, werden funktionstüchtige Gebäude abgerissen, um Platz für vermeintlich effizientere Neubauten zu schaffen. Was als Aufwertung oder Klimaanpassung verkauft wird, entpuppt sich oft als Verwertungslogik: Wohnhäuser mit vergleichsweise günstigen Mieten weichen hochpreisigem Neubau. Die ökologische Bilanz ist verheerend – ebenso wie die sozialen Folgen.
Denn mit jedem Abriss gehen nicht nur gebundene Energie und kulturelle Bausubstanz verloren, sondern auch gewachsene Strukturen, Nachbarschaften und insbesondere leistbarer Wohnraum. Besonders betroffen sind Bauten aus der Nachkriegszeit, aus der Ostmoderne oder dem sozialen Wohnungsbau der 1960er bis 80er Jahre – also genau jene Gebäude, die einst für breite Teile der Bevölkerung gedacht waren. Ihre Zukunft wird heute oft an wirtschaftlichen Interessen bemessen, nicht an ihrem Wert für die Stadtgesellschaft.
Aktuelle Veranstaltung zum Thema:
Stadtwerkstatt zur Bauwende: Umbau statt Abriss
Di., 21. Oktober 2025, 17:30 – 21:30
In der Stadtwerkstatt „Umbau statt Abriss“ nehmen wir drei aktuelle Standortprojekte im Bezirk in den Fokus: Hafenplatz, SEZ und Baerwaldbad.
Dabei sollen die Prozesse jeweils einen konkreten Schritt weiter gebracht werden: in Richtung sozialverträglicher Entwicklung, ökologisch verantwortlicher Bestandserneuerung und kooperativer Planung.
Herausragende Beispiele im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg:
- Am Hafenplatz in Kreuzberg steht ein Wohngebäude mit starker architektonischer Identität und vielfältiger Bewohnerschaft zur Disposition. Der von den privaten Entwicklern vorgeschlagene Abriss würde nicht nur einen ikonischen Bau zerstören, sondern auch funktionierende soziale Strukturen auflösen.
- Am SEZ in Friedrichshain wird über den kompletten Rückbau eines stadträumlich wie geschichtlich bedeutenden DDR-Baus diskutiert – obwohl gerade dieser Ort Potenzial für eine gemeinwohlorientierte Nachnutzung böte.
Diese Fälle stehen exemplarisch für eine Stadtentwicklung, die vor einer Weggabelung steht. Während viele klassische Projektentwickler weiterhin auf Abriss und Neubau setzen, hat sich in der Fachwelt längst ein anderes Denken durchgesetzt, bei dem der gesamte „Lebenszyklus“ von Gebäuden beachtet wird: Architektinnen, Planerinnen und Verbände fordern seit Jahren, den Erhalt des Bestands prioritär zu betrachten – sowohl aus Klimaschutzgründen als auch aus Verantwortung gegenüber der Bewohner*innen und der weiteren Stadtgesellschaft.
Graue Energie und das CO₂-Problem des Neubaus
In jedem bestehenden Gebäude steckt ein massiver CO₂-Rucksack, der mit dem Abriss auf einen Schlag vernichtet wird.
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Abriss ist nicht alternativlos! Gebäude wie der Komplex am Hafenplatz gelten oft pauschal als „nicht sanierungsfähig“. Doch diese Haltung lässt sich durch zahlreiche Beispiele widerlegen. Die Initiative Offene Mitte Berlin…
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Hier werden einige sozialverträgliche Sanierungsprojekte aus Deutschland und Europa aufgelistet, die exemplarisch zeigen, wie große Wohnkomplexe mit kommunaler Steuerung modernisiert werden können, ohne Mieter*innen zu verdrängen.
Beitrag aufrufenAuch international gibt es längst Beispiele für diesen Paradigmenwechsel. In Amsterdam, Zürich oder Kopenhagen entstehen Modellprojekte, bei denen Sanierung, Umbau und sozialverträgliche Weiterentwicklung des Bestands im Mittelpunkt stehen. Die Biennale di Architettura in Venedig hat 2023 unter dem Titel „The Laboratory of the Future“ genau diese Haltung gestärkt: Bestand als Ressource, nicht als Altlast.
Berlin diskutiert derzeit über die Ausrichtung einer neuen Internationalen Bauausstellung (IBA). Wenn diese mehr sein soll als ein Imageprojekt, braucht es konkrete Modellprojekte: Umsetzungen, die zeigen, wie der respektvolle, klimafreundliche und sozial gerechte Umgang mit bestehenden Gebäuden gelingen kann – im Osten wie im Westen der Stadt.
Auf der Baustelle-Gemeinwohl-Plattform und in der StadtWERKSTATT Friedrichshain-Kreuzberg wollen wir diesen Diskurs sichtbar machen und Räume zur Auseinandersetzung öffnen. Mit den konkreten Projekten am Hafenplatz und dem Sport- und Erholungszentrum (SEZ) rücken wir zwei Fälle ins Zentrum, an denen sich Grundsatzfragen unserer Zeit ablesen lassen.
Weiterführende Informationen auf der Baustelle-Gemeinwohl-Plattform:
- Magazin: Bauwende in der Praxis (international) – Herausragende Sanierungen mit sozialverträglicher Wohnraumnutzung
- Magazin: Graue Energie und das CO₂-Problem des Neubaus
- Magazin: Umbaukultur statt Neubauverwertungslogik – Ein neues Narrativ geprägt durch Berliner Akteure für Sanierungskultur
Weitere Links zu externen Quellen









