Neue Kooperationen
für leistbare und offene Räume

in Friedrichshain-Kreuzberg

Beitrag

Modellprojekt in Gefahr – Schneller Bauen auf dem Rathausblock/Dragonerareal mit gemeinwohlorientierten Privaten (Genossenschaften):

Statement des Netzwerk GI an den Senat für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen von Berlin. Veröffentlicht parallel mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg (siehe Pressemitteilung).


Wir sind entsetzt von den aktuellen Äußerungen der Senats­verwal­tung für Stadt­ent­wick­lung, Bauen und Wohnen bezüg­lich der Entwick­lungs­perspek­tiven am Rathaus­block/Dragoner­areal im Stadt­teil Kreuz­berg. Die im letzten Halb­jahr vorbereite und ohne Ein­bezie­hung des Bezirks­amts Friedrichs­hain-Kreuz­berg voll­zogene Fest­legung, den Anteil der Flächen für Genossen­schaften nahezu zu halbieren und dafür mit der landes­eigenen Wohnungs­baugesell­schaft Berlin-Mitte (WBM) mehr ent­wickeln zu wollen, kommt einer Auf­kündi­gung der seit 2019 in einer mit 6 Partner*innen geführten Koope­ration im Modell­projekt gleich. Damit werden die im „Zukunfts­rat“ getroffenen Absprachen im koopera­tiven Ver­fahren gebrochen und die generelle Aus­rich­tung des seit 2015 zivil­gesell­schaftlich erkämpften Projektes in Frage gestellt. Zudem stehen die gemein­wohl­orien­tierten Privaten vor der Situation noch nicht mitwirken zu können, obwohl das Land Berlin dringend preis­günstigen und der Speku­lation ent­zogenen Wohnraum benötigt.

Umsetzung in ferner Zukunft kann keine Lösung sein

Einerseits entwirft der Senat ein „Schneller Bauen Gesetz“ und andererseits bremst die gleiche Senats­­verwaltung die Entwick­lung im Modell­projekt Rathaus­­block/Dragoner­areal. Der Bau von rund 100 Wohnungen, die über genossen­­schafts­ähnliche Akteur*innen entwickelt werden sollte, kommt nicht in Gang. Die Begrün­­dung ist, dass ein Konzept­­verfahren, über welches ein gemeinwohl­­orientierter Bau­träger gefunden werden könnte, erst nach Abschluss des Bebauungs­­plan­verfahrens (B-Plan) sicher durch­geführt werden könnte. Gleich­zeitig wird mit der WBM aber bereits am B-Plan gearbeitet, um Bau­anträge schon zum Zeit­punkt der sogenannten Plan­reife in 2025 stellen zu können. Die Fest­setzung des B-Plans ist für das 1. Quartal 2026 vorgesehen. Anschließend sollen Konzept­verfahren durchgeführt werden, deren Laufzeit bis zu 31 Monate betragen kann. Der Zuschlag könnte dann voraus­sichtlich Ende 2028 erfolgen, was bedeutet, dass nach Planung, Bauantrag und Her­stellung der Erschließung erst ca. 2032 der Hochbau beginnen könnte. Das ist – optimistisch gerechnet – in 8 Jahren.

Im Modellprojekt ein modellhaftes Verfahren entwickeln

Die einst für das Projekt eingetretene Zivil­gesell­schaft käme also nach rund 17 Jahren extrem aufwändiger Beteiligung zu ein paar wenigen genossen­schaftlichen Wohnungen. Dabei könnte alles viel schneller, billiger, einfacher gehen und dabei auch noch mehr sozialer Wohnungs­bau erzeugt werden. Die zur Lösung notwendigen Akteur*innen müssten nur die bereits in der Koopera­tion vorhandenen Gremien ernst nehmen, um gemeinsam das Verfahren endlich auf „Ermöglichung“ zu drehen. Hier sind nicht die äußeren Rahmen­bedingungen – steigende Baukosten, Fach­kräfte­mangel, hohe Bau­zinsen – dafür verant­wortlich, dass der Wohnungs­bau nicht vorankommt, sondern die Senats­verwaltung selbst, die die Chancen eines Modell­projektes nicht nutzt, sondern alle Bauwilligen in Bürokratie erstickt.

Risiko durch langwierige Verfahren minimieren

Zwei Faktoren belasten die Entwicklungs­möglichkeiten erheblich:

Verfahrensdauer: Die jetzt veranschlagte Dauer des Verfahrens erhöht die Risiken für die Entwickler, denn die Förder­bedingungen ändern sich schneller als die Verfahren voran­kommen. Ein aufgestelltes Finanzierungs­konzept bricht so all zu leicht zusammen.

Konzeptverfahren: Die Kommune verspricht sich durch Konzept­verfahren kosten­günstig an das beste Umsetzungs­konzept zu kommen, doch das einseitig bei den Bewerber*innen abgeladene Planungs­risiko kann bei den gegebenen Rahmen­bedingungen nicht mehr getragen werden und so scheitern leider nicht nur die Konzept­verfahren, sondern auch die gewünschten Neu­bau­ent­wicklungen bleiben weit hinter den Möglich­keiten. Anderer­seits muss eine transparente Art von Konzept­wettbewerb stattfinden, um den eventuell auftretenden Eindruck von gerichteten Direkt­vergaben zu vermeiden und die Möglichkeit zur Reduzierung des Erbbau­zinses als Unterwert­vergabe auf Grund der Gemeinwohl­orientierung des Projektes beizu­behalten. Entscheidend ist der Zeitpunkt, an dem wir als gemeinwohl­orientierte Private, mit der Sicherheit umsetzender Bauträger zu sein, ins Entwicklungs­verfahren eintreten können.

Umsetzende schnell ins Verfahren bringen

Am Rathausblock wird aktuell in Zusammen­arbeit von Senat/Bezirksamt, BIM und der WBM am Bebauungs­plan gearbeitet. Dabei werden z.B. hin­sichtlich des parallel entstehenden Entwurfs der Verwaltungs­verein­barung auch Aufgaben der Erschließung behandelt, die später für einen Dritten – z.B. eine Genossen­schaft – vorgegeben werden. Dabei dürfen nicht Probleme bei den Privaten abgeladen werden, die im Moment noch nicht beteiligt sind. Ohne frühe Ein­beziehung des Umsetzungs­partners wachsen die Risiken zur Projekt­kosten­erhöhung und die Umsetzungs­fähigkeit der Gemeinwohl­orientierung des Projekts kann Schaden nehmen. Die Stadt­gesell­schaft hat keine Zeit mehr, viel­versprechende Projekte vor sich hin dümpeln zu lassen. Wir brauchen eine Dynamisierung der Verfahren, um den benötigten Wohnungs­bau voranzutreiben. 

Modellhaftes Konzeptverfahrens mit früher Entscheidung für eine Anhandgabe aushandeln

In einem bereits konzeptionell weit entwickelten Projekt wie dem Modell­projekt Rathaus­block/Dragoner­areal sind die Anfor­derungen an die Bewerber*innen in einem Konzept­verfahren derartig detailliert vor­bestimmt, dass auf der städte­baulich-architek­tonischen Ebene kaum deutliche Unterschiede zwischen den eingereichten Konzepten zu erwarten sind. Entscheidend ist hier vielmehr, welche Akteure und Nutzer*innen das gewünschte Konzepte überhaupt umsetzen können. In der funktio­nierenden Kooperation im Projekt sollten die Auswahl­kriterien für eine „früh­zeitige Bauträger­anhandgabe im Konzept­verfahren“ ausgehandelt werden. Mit dieser Verein­fachung des Wettbewerbs­verfahren ginge der Kommune kein möglicher Zuwachs an Qualität verloren, sondern einzig die Wahr­schein­lichkeit würde deutlich erhöht, dass ein geeignetes Konzept tatsächlich umgesetzt werden kann.

Nicht Grundstück sucht Konzept – sondern Konzept sucht Umsetzer

Wir fordern am Modell­projekt Rat­hausblock die Umsetzung eines „gemeinwohl­orientierten Konzeptverfahrens“, bei dem die Auswahl eines Bewerbers als Bauträger auf Basis eines text­lichen Konzeptes stattfindet. Die kost­spieligen Planungs­leistungen sollten erst danach vom ausgewählten Bauträger innerhalb einer kurzen Anhand­gabe­frist beige­bracht werden müssen, ebenso wie eine abgesicherte Finan­zierung. (Siehe dazu unser Papier „Berlin braucht das gemeinwohl­orientierte Konzept­verfahren“.) Sollte es dem Bauträger innerhalb der Frist von z. B. einem Jahr nicht gelingen, das Konzept gesichert umzusetzen, wird der nächst-best bewertete Bewerber aufgefordert. 

Das politische Handeln am Rathausblock steht in eklatantem Gegensatz zur Regierungserklärung

Den politischen Willen, Neubau durch gemeinwohl­orientierte Private zu fördern und zu beschleunigen, hat die aktuelle Berliner Landes­regierung bereits formuliert. Es gilt jetzt die Verfahren zur Umsetzung so anzupassen, dass tatsächlich gebaut werden kann. 

In den Richtlinien der Regierungs­politik des amtieren Berliner Senats 2023–2026 wird an mehreren Stellen die Förderung des Genossen­schaftswesens ausdrücklich genannt (siehe folgende Zitate). „Die landeseigenen Wohnungs­baugesell­schaften und Genossen­schaften sollen verstärkt mit Baugrund­stücken versorgt werden.“ Wie schon unter der Vorgänger­regierung „hält der Senat daran fest, grund­sätzlich keine landes­eigenen Grund­stücke oder Wohnungen zu verkaufen. Hiervon darf bei gemeinwohl­orientierten Wohnungs­baugenossen­schaften im Einzel­fall abgewichen werden. Mit dem Ziel der Durch­mischung bei größeren Quartiers­entwicklungen auf landes­eigenen Grund­stücken sollen Genossen­schaften in angemessener Weise bei der Vergabe von Flächen berück­sichtigt werden. Die Vergabe kann durch Erwerb oder im Wege eines Erbbau­rechts mit lang­fristiger Mietpreis- und Belegungs­bindung erfolgen. Hierbei kann ein verein­fachtes Konzept­verfahren angewandt werden, wenn die soziale Bindung grund­buchlich gesichert wird.“ 

Aktuell sind die Rahmen­bedingungen für Immobilien­entwick­lungen für alle Akteur*innen herausfordernd. Landes­eigene Wohnungs­bau­unternehmen (LWU) haben allerdings einige Vorteile, denn ihnen stehen als politisch geförderte Betriebe insbesondere bei der Finanzierung andere Möglich­keiten zur Verfügung. Private gemein­wohl­orientierte Immobilien­akteure sind deshalb aber nicht aus dem Rennen, sondern sie sind die geeigneten Umsetzungs­partner für Entwicklungen in Kooperation mit den Landes­eigenen, um besondere Qualitäten in die Quartiere zu bekommen. Am Beispiel Rathaus­block/Dragoner­areal kann exemplarisch aufgezeigt werden, dass der Schlüssel zum Bau des Quartiers in hoher Qualität mit sozialer Verant­wortung im Verfahren liegt.

Vorteile durch gemeinwohl­orientierte Private am Rathaus­block und in der ganzen Stadt­entwicklung nutzen

Wenn die Landes­politik tatsächlich, wie es in der Regierungs­erklärung zu lesen ist, auf die gemeinwohl­orientierten Privaten in der Stadt­entwicklung als Neubau-Akteur*innen setzen will, dann müssen jetzt Anpassungen in den Verfahren umgesetzt werden. Das Land sollte nicht auf die Vorteile verzichten, die genossen­schaftliche und andere gemeinwohl­orientierte Ent­wickler*innen für die Quartiere bringen: 

  • Grundsätzlich ermöglichen sie eine demo­kratisch organisierte Form des Wohnens mit ausgeprägten Mit­bestimmungs­rechten für die Bewohner*innen, die auch eigentums­rechtlich beteiligt sind.
  • Die Gebäude sind nachhaltig für die gemeinwohl­orientierte Nutzung gesichert, weil Investi­tionen mit Rendite­absichten ausgeschlossen sind.
  • Das Mietniveau bleibt langfristig stabil und steigt nicht mit dem Markt­umfeld. Die großen Bestands­genossen­schaften und die jungen Genossen­schaften dämpfen so gesamt­städtisch stark das Mietniveau.
  • Gemeinwohl­orientierte haben nicht nur das Potenzial größere Projekte umzusetzen, sondern mit der Größe wächst das Interesse an der Bau­träger­schaft.
  • Belegung mit einem erheblichen Anteil an Neu-Mitgliedern ist üblich.
  • Gemeinwohlorientierte haben Möglich­keiten, besondere Wohn­formen des Gemeinschaftswohnens mit bereits aktivierten Nutzer*innen­gruppen umzusetzen.
  • Das aktive Gestalten, Mitmachen und Ein­bringen der Nutzer*innen gehört zur Identität von Kreuzberg und zur Genese des Modell­projektes Rathausblock.

Fazit: Jetzt Gelingens­bedingungen herstellen

Die Faktoren für das Gelingen von Entwicklungen durch gemeinwohlorientierte Private sind:

  • Das Vergabe­verfahren muss vereinfacht werden, um das Ausfall­risiko zu minimieren und die Umsetzungs­wahr­schein­lich­keit zu erhöhen.
  • Die realisierten Kooperations­leistungen im Modell­projekt soll dazu genutzt werden, um gemeinsam Bewertungs­kriterien für ein verein­fachtes Konzept­verfahren auszuhandeln.
  • Als mögliche Bauträger*innen sollten nur gemeinwohl­orientierte Akteur*innen zugelassen werden.
  • Die Grund­stücke/Erbbau­rechte für gemeinwohl­orientierte Private am Rathaus­block sollten nicht parzelliert in unterschied­liche Konzept­verfahren gebracht werden, so dass das Projekt eine relevante Größe bekommt (ca. 100 Wohnungen und Gewerbeflächen).
  • Gebote für Erbbaurechts­zinsen nahe Null müssen weiterhin ermöglicht werden – wie es bereits Realität ist. Dadurch wird auch eine Vergleich­barkeit zu den Grund­stücks­kosten erreicht, welche für die LWU mittels Einbringung zu vernachlässigen sind.

Presseecho:

26. September 2024

Beitrag im Netzwerk

In Zusammenarbeit von:Baustadt-rat/rätin Fachbereich Stadtplanung Möckernkiez e.G. Netzwerk GI Vernetzungstreffen Rathausblock (VTR) ZusammenStelle

Ist ein Beitrag zur Baustelle:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert