Neue Kooperationen
für leistbare und offene Räume

in Friedrichshain-Kreuzberg

Baustelle

#21

Zukunft am SEZ?

Die Diskussion über die Bauwende in Bezug auf die Ostmoderne

Bestandsimmobilie im Spannungsfeld von Senat, Bezirk und Zivilgesellschaft

Das ehemalige Sport- und Erholungszentrum (SEZ) an der Landsberger Allee ist einer der größten erhaltenen Freizeitbauten der späten DDR. Eröffnet 1981, war es jahrzehntelang ein wichtiger Ort der Naherholung in Berlin und eine Attraktion für Besuche aus der gesamten DDR. Nach Privatisierung, teilweiser Umnutzung und Wiederankauf durch das Land Berlin liegt das Areal heute brach – ein prominentes Gelände mit offenem städtebaulichem Schicksal.

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Art: Koop-Veranstaltung Beteiligungsveranstaltung

Stadtwerkstatt zur Bauwende: Umbau statt Abriss

Di., 21. Oktober 2025, 17:3021:30

In der Stadtwerkstatt „Umbau statt Abriss“ nehmen wir drei aktuelle Standortprojekte im Bezirk in den Fokus: Hafenplatz, SEZ und Baerwaldbad.
Dabei sollen die Prozesse jeweils einen konkreten Schritt weiter gebracht werden: in Richtung sozialverträglicher Entwicklung, ökologisch verantwortlicher Bestandserneuerung und kooperativer Planung.

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Der Planungsstand

Bereits 2016 hat der Berliner Senat mit dem Bebauungsplan 2-43 eine großmaßstäbliche Umstrukturierung angestoßen: Ziel war eine Wohnbauentwicklung mit rund 500 Einheiten, eingebettet in eine städtebauliche Aufwertung des Areals. Die Umsetzung dieses Plans liegt in der Verantwortung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft WBM, die 2025 im Rahmen einer Machbarkeitsbetrachtung einen eingeladenen städtebaulichen Wettbewerb durchführte. Die Aufgabenstellung formulierte als Ziel den kompletten Rückbau des SEZ.

Die Machbarkeitsstudie in der Form eines städtebaulichen Wettbewerbs

Fünf Planungsbüros wurden von der WBM eingeladen, darunter Stefan Forster Architekten, deren Entwurf durch die Jury als Sieger prämiert wurde. Dieser Entwurf sieht den kompletten Abriss des SEZ und einen vollständigen Neubau in der städtbaulichen Figur einer Blockrandbebauung vor. Ein Gegenentwurf vom Büro 03_Architekten, der wesentliche Bestandsteile (z. B. Eingangsbereich, Haupthalle) erhalten wollte, fand Rückhalt im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, wurde jedoch aus prozessualen Gründen bei der Jury-Entscheidung nicht berücksichtigt. Laut einer entsprechenden Pressemitteilung des Bezirksamts sieht der Baustadtrat Florian Schmidt damit, die grundsätzliche Vereinbarkeit eines Teilerhalts des SEZ und einer neuen Wohnbauentwicklung als gegeben und fordert, mit Vorrang eine entsprechende Lösung zu untersuchen.

Kritik und Konfliktlinien

WBM-Argumentation

Die WBM begründet ihre Entscheidung mit dem schlechten Bauzustand des SEZ und verweist auf die Relevanz des Standorts zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Etwa 50 % der Wohnungen sollen im geförderten Segment entstehen. Eine Machbarkeitsstudie zur Umsetzung des Siegerentwurfs ist derzeit in Arbeit (Stand: September 2025).

Kritik aus Zivilgesellschaft und Politik
  • Unklare Dokumentation des baulichen Zustands
  • Fehlende unabhängige Gutachten zur Sanierungsfähigkeit
  • Ein von Initiativen beauftragtes Gutachten belegt die strukturelle Erhaltungsfähigkeit des Bestands
  • Zweifel am ökologischen und wirtschaftlichen Sinn eines Abrisses
  • Unverständnis gegenüber der Ablehnung des Denkmalstatus
Forderungen

Die Initiative „SEZ für alle!“, unterstützt durch GiB e. V., Architects for Future und lokale Akteure, fordert:

  • Einen offenen Beteiligungsprozess zur Entwicklung des Areals
  • Ein 5-Jahres-Moratorium für Abrissmaßnahmen
  • Zwischennutzungen mit öffentlichem Mehrwert
  • Verbindliche Prüfungen zum Erhalt

Neue Perspektive auf die DDR-Architektur

Die Debatte um das SEZ steht exemplarisch für einen breiteren gesellschaftlichen Wandel im Umgang mit DDR-Bauten. Fachverbände und Medien verorten das SEZ inzwischen als bedeutenden baulichen Zeugen der Ostmoderne mit öffentlicher Bedeutung. Die Schutzwürdigkeit und der Denkmalstatus wurden vom Landesdenkmalamt zunächst ausgeschlossen, auf Antrag des Bezirksbaustadtrat aber im September 2025 durch den Landeskonservator erneut geprüft und wieder abgelehnt.

Laut rbb24 lehnt das Landesdenkmalamt eine Unterschutzstellung ab, da das Gebäude „in seiner architektonischen Klarheit durch Umbauten stark verändert worden“ sei. Der Landeskonservator Christoph Rauhut sprach im selben Bericht allerdings von einer gewissen „Schutzwürdigkeit“ – diese sei jedoch „nicht gleichbedeutend mit Denkmalwürdigkeit“ (rbb24, 13.09.2025). Auch wenn damit formal kein Schutzstatus besteht, bleibt das SEZ für viele ein bau- und zeithistorisch bedeutender Ort. Die widersprüchliche Bewertung des Gebäudes durch die Denkmalschutzbehörden ist für Kritiker*innen ein Ausdruck einer noch immer ambivalenten Haltung gegenüber der DDR-Architektur (Tagesspiegel, 13.09.2025).

Die Bürgerinitiative „Gemeingut in Bürgerhand“ reagierte empört mit einer Presseerklärung.

Bedeutung für die Bauwende

Das SEZ zeigt beispielhaft, wie:

  • Abrissentscheidungen politisch und wirtschaftlich gerahmt sind
  • Umbaukultur durch zivilgesellschaftlichen Druck in den Diskurs zurückkehrt
  • Teil-Erhalt und Neubau kombinierbar wären – wie der alternative Wettbewerbsbeitrag belegt

Die Debatte hat längst die Landespolitik erreicht. Akteur*innen wie Bezirksstadtrat Florian Schmidt, MdA Julian Schwarze (Grüne) oder Damiano Valgolio (Linke) setzen sich für einen Umbau statt Abriss ein – nicht nur aus kulturellem, sondern auch aus sozialem und klimapolitischem Interesse.

SEZ – Prüfstein für Bauwende und Gemeinwohlorientierung

Der SEZ-Konflikt zeigt die Dringlichkeit eines grundlegenden Wandels der Berliner Baupolitik. Die aufgeworfenen Themen verdeutlichen exemplarisch, wie der Diskurs zur Bauwende mit konkreten politischen und gesellschaftlichen Fragen verknüpft ist:

  • Wer trifft grundlegende Entscheidungen über den Umgang mit öffentlichem Bestand?
  • Wie kann Gemeinwohlorientierung im Planungsprozess gesichert werden?
  • Welche Rolle spielt Denkmalschutz, Klimapolitik und Baukultur in künftigen Stadtentwicklungen?

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