Das Netzwerk GI hat in seinem Selbstverständnis als ›ThinkTank‹ für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklungspolitik in Berlin ein Statement zum Berliner Bodenfonds herausgegeben. Dabei werden bisherige Versäumnisse und Fehlstellen klar benannt und konkrete Lösungsvorschläge gemacht, die auf Berliner Ebene umzusetzen sind.
Die wichtigsten Themen des Papiers sind:
- Es braucht eine Leitlinie für strategische Grundstücksgeschäfte.
- Es braucht das paritätisch besetzte Gremium des Bodenbeirats.
- Es braucht eine definierte Förderrichtlinie für nutzungsgemischte Projektentwicklungen.
- Es braucht ein Regelverfahren, um die Bedarfe der Bezirke einfließen zu lassen.
Zur selben Baustelle wird die StadtWERKSTATT »Bezirk braucht Boden« am 25.8.2021 stattfinden.
Das Statement im Originaltext
veröffentlicht: 4.8.2021
die Gemeinwohlorientierung des Bodenfonds
Die Notwendigkeit mittels eines Bodenfonds in die strategische Grundstückssicherung einzutreten, hat die amtierende Koalition erkannt. Auch der priorisierte Ankauf von Flächen, für die schon eine Nutzungsvorstellung entwickelt wurde, ist schlüssig. Die Berliner Bodenfonds GmbH (BBF) ist dazu als unselbstständiges landeseigenes Tochterunternehmen der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) eingesetzt worden. Die BBF wurde mit einem Kreditrahmen von 290 Mio € ausgestattet, aber wesentliche Grundbedingungen für das Funktionieren des neuen Instruments der Stadtentwicklungspolitik wurden nicht geschaffen:
Bisher wurden keine Verfahren definiert, über die Grundstücksankäufe mit der Bedarfslage rückgekoppelt werden – zumindest wurden sie nicht öffentlich kommuniziert. Unklar ist, wie Senatsverwaltungen oder die Bezirke Bedarfsanmeldungen platzieren können, um ihrem Auftrag zur infrastrukturellen Daseinsvorsorge planerisch nachkommen zu können. Der Zugang für kooperative gemeinwohlorientierte Projekte ist nicht vorhanden und es fehlt jeder Vorschlag zur Umsetzung des „Bodenbeirats“, der Teil des politischen Beschlusses zur Gründung der BBF ist und eine bisher nicht näher definierte Form von Beteiligung ermöglichen soll.
Im Moment stellt sich die BBF als eine Black Box der Berliner Stadtentwicklungspolitik dar, bei der von der Senatsverwaltung für Finanzen der Deckel komplett geschlossen gehalten wird. Unter „transparenter Liegenschaftspolitik“ stellen sich die Berliner*innen aber etwas anders vor: eine erklärt gemeinwohlorientierte Strategie und funktionierende Verfahren der Mitwirkung.
Das Netzwerk GI hat Forderungen und Lösungsansätze entwickelt, die zu mehr Gemeinwohlorientierung und Transparenz im operativen Handeln des Berliner Bodenfonds führen können:
Kein Ankauf von Flächen, die bereits in der öffentlichen Hand liegen, sondern Ausweiten des Einbringungsmodells und Vergabe von Erbbaurechten zwischen landeseigenen Unternehmen
Es kann nicht Aufgabe der BBF sein, kreditfinanzierte Finanzmittel für Eigentümerwechsel von Grundstücken einzusetzen, die bereits in öffentlicher Eigentümerschaft sind, aber wegen geplanter Nutzungen anderen öffentlichen Strukturen zugeführt werden sollen. Dafür braucht es andere weitgehend kostenneutrale Lösungen.
Im Bereich des Wohnungsbaus werden Grundstücke als Einlagen ins Gesellschaftsvermögen der landeseigenen Wohnungsunternehmen eingebracht, die dafür als Gegenleistung mietpreisgebundene Wohnungen herstellen müssen. Dieses Modell vermeidet kostentreibende Grundstücksverkäufe und führt dabei zu mehr sozial-gebundenem Wohnungsneubau. Es muss auch im Bereich Gewerbe angewandt werden! Wird preisgedämpfter Gewerberaum für gemeinwohlorientierte Nutzungen von landeseigenen Unternehmen entwickelt, sollte die Möglichkeit bestehen, im Gegenzug Grundstücke oder dingliche Rechte in Form von Erbbaurechten kostenneutral zu übertragen. Dafür fordern wir, die politischen Grundlagen und gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Außerdem muss ermöglicht werden, dass sich alle landeseigenen Unternehmen unter-einander Erbbaurechte einräumen können, um teure linke Tasche/rechte-Tasche Geschäfte zu vermeiden. Dazu muss im Einzelnen geprüft werden, ob das direkte Ein-räumen von Erbbaurechten an andere mit den jeweiligen Unternehmenszwecken verein-bar ist, oder ob dies eine Dienstleistung einer Contracting-Stelle bei der BBF sein sollte.
Forderungen/Lösungen im
- Kein Ankauf von Grundstücken aus Beständen der öffentlichen Hand des Landes oder von landeseigenen Unternehmen.
- Übertragen des Einbringungsmodells auf den Bereich der gemeinwohlorientierten Gewerbeentwicklung, einschließlich kultureller und sozialer Zwecke
- Aufbau einer Contracting-Abteilung, die nicht mehr benötigte Flächen in den Beständen der verschiedenen landeseigenen Unternehmen aufnimmt und Erbbaurechte direkt zwischen landeseigenen Gesellschaften und an alternative gemeinwohlorientierte Immobilienakteur*innen vermittelt und verwaltet.
- Mit Hilfe von Screenings evaluieren, wo mit kleinen Zukäufen zusammenhängende Grundstücke der öffentlichen Hand geschaffen werden können.
- Prüfung ob über einen Treuhandvertrag zwischen Land Berlin und BBF das GSE-Treuhandmodell (dort nur zur Bestandsentwicklung) im Fall der BBF zur Entwicklung von Neubauvorhaben übertragen werden kann.
Vorteile des Treuhandmodells: einmalige politische Legitimierung bei Übertragung von Nutzungsrechten mittels Treuhandvertrag; keine Eigentumsübertragung und Grunderwerbsteuerbelastung; übersichtliche Vertragsbedingungen.
Aufbau von Gremien der gemeinsamen Entscheidungsfindung, insbesondere durch einen paritätisch besetzten Bodenbeirat
Die Geschäfte des Bodenfonds laufen bisher im Verborgenen. Die Senatsverwaltung für Finanzen weist darauf hin, dass das Veröffentlichen eines Kaufinteresses Grundstückspreise verteuern würde. Dies kann aber keine Begründung dafür sein, dass weder die Öffentlichkeit noch die Bezirke von den Kaufvorhaben der BBF wissen, sogar noch nicht einmal Bedarfe anmelden können. Kaum schlüssig scheint diese klandestine Taktik, zumal der Ankauf von Flächen priorisiert wird, bei den bereits eine Nutzungsvorstellung entwickelt wurde, wodurch ohnehin öffentlich ist, dass ein Kaufinteresse besteht. So kann die nötige Passgenauigkeit der BBF-Ankäufe gegenüber den Flächen- bzw. Nutzungsbedarfen der Bevölkerung nicht hergestellt werden.
Es verträgt sich außerdem nicht mit den Zielen für eine bessere Bürger*innenbeteiligung, die sich die Koalition in einer Art Gesellschaftsvertrag mit der Berliner Bevölkerung selbst gegeben hat. Gemeinwohlorientierte Bodenpolitik muss Teil der öffentlichen Debatte sein!
Forderungen/Lösungen im
- Durchführung eines beratenden (Beteiligungs)Verfahrens bei der Erstellung des Konzepts zum Aufbau und der Besetzung des Bodenbeirats
- Paritätische Besetzung des Bodenbeirats, wobei für gemeinwohlorientierte Immobilienakteure auf die Beteiligung des Runden Tischs für Liegenschaftspolitik, dem Netzwerk GI, von Vertreter*innen der neuen/jungen Genossenschaftsverbände und der Sozialverbände zu achten ist.
- Aufstellung von Kriterien durch den Bodenbeirat für strategische Ausrichtung der BBF und Empfehlungen für Ankaufstätigkeiten.
- Herstellung von Transparenz durch Unterrichtung des Bodenbeirats (außerhalb und zusätzlich zu parlamentarischen Informationen).
- Erfassen und Benennen der Bedarfe von gemeinwohlorientierten Bedarfsträger*innen durch den Bodenbeirat, die nicht über bestehende Bedarfserfassungssysteme wie die Soziale Infrastrukturkonzepte (SIKo) erfasst werden.
Grundstücke für gemischte Nutzungen vorsehen und entsprechende Förderungsmöglichkeiten schaffen
Obwohl in allen raumplanerischen Konzepten das Leitbild der gemischten und vielfältigen Stadt bemüht wird (z. B. StepWohnen, Entwicklungsplan „Neue Stadtquartiere“, Handlungsprogramm zur Beschleunigung für den Wohnungsbau, …), ist die Umsetzung, Planung und Finanzierung von gemischten Immobilienprojekten enorm dadurch erschwert, dass es keine geregelten Zuständigkeiten zwischen den beteiligten Senatsverwaltungen und keine passenden Förderprogramme gibt.
Forderungen/Lösungen im
- Schaffung einer aktiven Steuerungsstelle in der Senatskanzlei zur Förderung von gemischten Nutzungen, die Kompetenzen aus verschiedenen Senatsverwaltungen bündelt (SenSW, SenWEB, SenFin, SenUVK)
- Anerkennung der gemeinwohlorientierten Immobilienakteure als tragende Säule zum Aufbau der gemischten Stadt (Leitbild der „Stadt der kurzen Wege“, „15-Minuten-Stadt“) und Förderung von Kooperationsprojekten zwischen den landeseigenen Wohnungsunternehmen und GI-Akteuren (siehe Leitbild „Neue Leipzig Charta“)
- Einführung eines vom Abgeordnetenhaus genehmigten Liegenschaftskonzepts (vgl. Berliner LHO § 63, 3/4), das Kriterien für gemeinwohlorientierte Kombinationsnutzungen definiert und entsprechende Projekte dezidiert fördert, um …
- … reduzierte Bodenwerte (=Bodenpreisvergünstigungen) für bedarfsgerechte langfristig gebundene Nutzungen zu begründen.
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Entscheidungsfindung zu Ankäufen mit bezirklicher Infrastrukturplanung verbindenDie Berliner Bezirke sind durch ihre Bauleit- und Infrastrukturplanung mit den Bedarfen der öffentlichen Daseinsvorsorge auf lokaler Ebene bestens vertraut. Auch die Kooperation mit gemeinwohlorientierten Immobilienakteur*innen ist auf bezirklicher Ebene eingeübt. Die spezifische Kenntnis der Eigentumsstruktur im Bezirk gepaart mit dem Wissen über vielfältige Potenziale zur Flächen- und Objektentwicklung für Wohnen, Gewerbe und Soziales macht die Bezirke zu ausgewiesenen Expert*innen für den Ankauf von Grundstücken. Diese Expertise sollte zielführend eingesetzt werden, um eine strategische Bodenbevorratungspolitik des Landes zu unterstützen.
Bisher bleibt aber weitgehend unklar, wie die Bezirke in die Überlegungen für Ankäufe über die BBF eingebunden werden. Mit einem Vorschlagsrecht für die Bezirke, und damit einer greifbaren Perspektive zur praktischen und konkret projektbezogenen Stadtentwicklung, würde auch in den Bezirken die politische Willensbildung zur gemeinwohlorientierten Projektentwicklung dynamisiert.
Es gilt zu klären, ob und wie der Portfolioausschuss das richtige Gremium zur Integration der Bezirke sein kann, oder ob ein neues Gremium diese Aufgabe übernehmen sollte.
Forderungen/Lösungen im
- BBF muss regelmäßig ein Flächen-Screening durch die Stadtentwicklungsämter der Bezirke abfordern.
- Schaffung eines regelbasierten und transparenten Verfahrens mit Vorschlagsrecht der Bezirke zum Ankauf von konkreten Grundstücken durch die BFF.
* Das Netzwerk GI (Netzwerk gemeinwohlorientierter Immobilienakteur*innen) versteht sich
als ›Think Tank‹, der Impulse gibt zur operativen Umsetzung einer gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung.
Die Mitglieder sind Menschen mit praktischer Erfahrung in bauwirtschaftlichen Bereichen wie Objektplanung, Immobilien-Management, -betrieb und -verwaltung. Sie sind alle in gemeinwohlorientierten Unternehmen oder Projekten tätig (z.B Genossenschaften, Syndikaten, Verbänden usw.). Alle sind mit Projekten im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg aktiv, in ihrem Handlungsfeld aber nicht auf den Bezirk beschränkt.
Website: https://www.baustelle-gemeinwohl.de/akteure/netzwerk-gi/